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Im Bild: Rosengasse Arbesgasse (Foto: Watzek)

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Video vom Unleserlichen am Oberen Stadtplatz

1988 war Kurt Waldheim - „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als meine Pflicht erfüllt“ - seit zwei Jahren Bundespräsident und in den USA auf der Watchlist. Die erste Studie zur NS-Zeit in Hall von Dr. Agnes Larcher und ihren HAK-SchülerInnen war zehn Jahre alt, und das offizielle Österreich jenseits der Hofburg versuchte im „Bedenkjahr 1938–1988“ Schadensbegrenzung. Am Oberen Stadtplatz thematisierte der Haller Aktionskünstler Hermann Graber auf seine Weise das Erinnern und Vergessen der NS-Zeit.

Ein Bundespräsident, der seinen Militärdienst für die deutsche Wehrmacht noch mit dem Abstand von mehr als vier Jahrzehnten als bloße „Pflichterfüllung“ verharmlost hatte, zwang seit seiner Wahl 1986 ein ganzes Land und die internationale Staatengemeinschaft sich mit Österreichs Rolle im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Damit aber nicht genug, ging es doch auch um den jahrzehntelangen Umgang mit dieser Vergangenheit, die entweder verleugnet, verschwiegen, verharmlost oder einfach nach Deutschland ausgelagert worden war.

1988 wurde daher offiziell der Begriff „Gedenkjahr“ erfunden – ein ganzes Jahr sollte im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem Anschluss 1938 und den Jahren des Nationalsozialismus in Österreich stehen. So war die offizielle Lesart. Geprägt war das Jahr 1988 aber vor allem von der Publikation des Berichts einer Historikerkommission, die sich kritisch mit den Aussagen des 1986 gewählten Bundespräsidenten Kurt Waldheim über seine Wehrmachtskarriere beschäftigt hatte. Die 206 Seiten des Berichts lassen sich so zusammenfassen: Waldheim war nicht direkt an Kriegsverbrechen beteiligt, aber er wusste weit mehr als er in den letzten drei Jahren zugegeben hatte. Als deutliches Signal, dass mit dem rot-weiß-roten Schweigen über die massive Beteiligung von Österreichern am Nazismus endgültig Schluss ist, wurde Henry Grunwald, der 1938 aus Wien als Heinz Anatol Grünwald fliehen musste, 1987 zum US-Botschafter in Wien gemacht. Ein mehr als deutliches Statement.

Für den Haller Aktionisten Hermann Graber bot sich also im Frühjahr 1988 eine ideale Bühne für insgesamt drei geschichtspolitische Happenings. Wesentliches Merkmal dieser Kunstrichtung ist die radikale Abwendung vom akademischen, klassischen Werkbegriff. Das Ergebnis eines Happenings ist nämlich nicht ein fertiges Kunstobjekt, das in einer Galerie neutralisiert wird, das den Kunstmarktgeschmack zu bedienen versucht oder das gar seine letzte Ruhestätte in einem Museum unter einem wissenschaftlich kuratierten Glassturz findet. Happenings machen sich Ereignisse, für die nicht der Künstler verantwortlich ist, zunutze, sie aktivieren deren Publikum und zielen so auf etwas Unwiederholbares, Spontanes ab. Dementsprechend startete Graber seine Trilogie 1988, die ihren Abschluss in Hall am Oberen Stadtplatz fand.

Autoren und Fotos: Matthias Breit und Hermann Graber

Mehr dazu im Video: https://www.youtube.com/watch?v=TpMZXsbSvb8

 

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Video vom Unleserlichen am Oberen Stadtplatz (Foto: Matthias Breit und Hermann Graber)